Size doesn´t matter :-)
Wir alle kennen die viel gefragten Netzwerker, die überall und ständig unterwegs sind, die jeden Menschen zu kennen scheinen und zum Rest der Menschheit bestimmt einen Kontakt herstellen können. Wir schauen mit Bewunderung darauf, was sie so alles fertig bringen, vielleicht auch ein wenig mit Neid, ein so großes Netzwerk zu haben und mitten drin zu sitzen, das möchte ja jeder. Manchmal aber da gibt es Momente, wo wir mit leichtem Zweifel auf das Beziehungsfeuerwerk anderer schauen.
Es ist nicht die Frage, was die richtige Größe des Netzwerkes überhaupt, sondern was die für mich richtige Netzwerkgröße ist. Es ist ja nicht so, als dass sich noch kein Mensch Gedanken über die absolut richtige Netzwerkgröße gemacht hat – dazu gibt es viele nützliche Überlegungen. Als ein Beispiel nennen wir hier gern die sogenannte Dunbar-Zahl von ca. 150 Mitgliedern im Netzwerk, in der jeder mit jedem eine persönliche Beziehung haben kann. Das ist eine überschaubare Größe des Netzwerkes im Vergleich zu den gigantischen Adressbüchern, über die z.B. Vermittlungsagenturen verfügen.
Eine philosophische Antwort auf die Frage nach der richtigen Größe heißt „es kommt darauf an.“ Worauf es ankommt, lässt sich in fünf Überlegungen ausdrücken:
- Meine Bereitschaft, in das Netzwerk zu investieren: Netzwerken kostet immer Zeit – gleichgültig wie intensiv man die Sache betreibt. Kleine Netzwerke kosten viel Zeit, große Netzwerke kosten sehr viel Zeit. Das gleiche gilt für den fälligen Aufwand, mit dem die Netzwerkarbeit betrieben wird. Aufwand kann auch finanzieller Aufwand sein, der ist aber meistens nicht sehr groß. – Vorsicht, es gibt Ausnahmen! Größer als der finanzielle Aufwand ist der Aufwand an Mühe und Arbeit. Um nur ein paar Stichworte zu nennen: die richtigen Veranstaltungen mit den richtigen Leuten zu finden, den Kontakt zu halten und zu signalisieren „mich gibt es und ich denke an dich“, etwas tun, worum man gebeten wird usw. Diese Dinge sind zeitraubend und anstrengend. Es wird geschätzt, dass ca. ein Fünftel bis ein Viertel der Arbeitszeit in das Netzwerk investiert werden sollte. Als grobe Hausnummer ist diese Aussage sicher nicht falsch. Die Akzeptanz dieser Gedanken wird wahrscheinlich erschwert, wenn man bedenkt, dass Netzwerkarbeit erst nach längerer Zeit sichtbare Ergebnisse bringt.
- Die Ziele des Netzwerks spielen ein wichtige Rolle für seine Größe: brauche ich z.B. bestimmte Informationen, können es zwei oder vielleicht auch nur ein einziger Netzwerkpartner sein, der mir den Zugang dazu gewährt. Brauche ich dagegen das Netzwerk als einen Ideenspiegel, sollten es schon ein paar Menschen mehr sein, um die kritische Masse an kollektiver Intelligenz aufzubringen. Möchte ich Menschen miteinander in Kontakt bringen, muss ich natürlich auch genügend viele kennen.
- Sofort nach den Zielen ist interessant, ob die für meine Ziele wichtigen und damit richtigen Menschen Teil meines Netzwerkes sind. Die Menschen können in ihrem beruflichen oder sonstigen Leben genau die Aufgaben und Funktionen haben, die ich für meine Ziele brauche. Es kommt hier nicht in erster Linie darauf an, VIPs in mein Netzwerk zu ziehen. Wer einen wichtigen Teil zum Gelingen meiner Netzwerkziele beiträgt, ist für mich ein VIP; auch wenn ihn sonst niemand kennt.
- Es sind nicht allein die Aufgaben und Funktionen meiner Netzwerkpartner außerhalb des Netzwerkes wichtig, sondern auch die Rollen, die sie innerhalb des Netzwerkes haben, also die sie in erster Linie für mich haben. Sind sie die Grenzgänger, die eine Verbindung zu anderen Netzwerken herstellen oder sind sie mehr die (fachlichen) Berater, die ich bei fachlichen Fragen konsultiere.
- Die letzte Frage für die Größe des Netzwerkes ist die, wie ich die Netzwerkarbeit gestalten möchte. Bin ich mehr darauf aus, dass mir meine Netzwerkpartner sachliche und fachliche Fragen beantworten oder möchte ich zu ihnen funktionierende Vertrauensbeziehungen? Sollen die Beziehungen auf eine bestimmte und absehbare Zeit angelegt sein oder prinzipiell zeitlich unbegrenzt?
Wir können die Frage im Zusammenhang mit der letzten Überlegung ein wenig anders formulieren: wann beginnt ein Netzwerk? Kann es ein Netzwerk latent geben, ohne einen Austausch und ist ein Netzwerk denkbar, in dem gar kein Austausch vorkommt? Wie wenig Austausch ist gerade noch ausreichend, um weiterhin von einem Netzwerk zu reden?
Diese Gesichtspunkte lassen sich natürlich noch erweitern. Unterm Strich aber lassen sie eine abschließende Aussage zu: unter quantitativen Gesichtspunkten kann man nicht sagen, ein großes Netzwerk ist gut, ein kleines Netzwerk ist besser. Netzwerke sollten eine gewisse Größe und eine gewisse Frequenz des Austausches haben, allein schon um die eigene Netzwerkarbeit professionell betreiben zu können. Größe aber ist nur eine Vorbedingung für das, was die Arbeit im Netzwerk erfolgreich macht, nämlich die Qualität.